Nun treiben wir uns schon 10 Tage auf Jersey `rum und haben die Insel mit den Kajaks fast umrundet. Wir das sind Heinz Zölzer und Andreas Hahn. Eigentlich wollten wir alle English Islands mit dem Kajak besuchen und die Highlights erpaddeln: bis 13 m Tidenhub, Atlantikdünung und Strömungen bis nahezu 10 Knoten (etwa Imster Schlucht des Inns).
Leider jagt ein Tief das andere über den Kanal. Der Schwanz eines Hurrikans über Südengland, gut 100 km nördlich von uns, wurde einem Surfer zum Verhängnis und löste eine dramatische Rettungsaktion aus, bei der auch 3 Männer der englischen Lifeguard mit dem Heli aus den Fluten geborgen werden mußten.
Gestern abend hat uns das Hochwasser von einem wunderschönen Strand regelrecht weggespült. Wir waren bei Ebbe angelandet und hatten einen knappen Meter mehr für unser heutiges Hochwasser einkalkuliert. Es lief aber 1,5 m auf, bis in den Löwenzahn, die Brombeeren, Gänseblumen, den Süßwasserbinsen etc., die wir als sicheres Alibi für "trockene Füße" angesehen hatten.
Nachdem unser Überzelt im Wasser stand, das Innenzelt hatten wir vorsorglich nicht aufgebaut, unser Feuer mit einer Welle in den Fluten verschwand, reichte es Andreas. Morgen früh der gleiche Eiertanz noch einmal, nee! Wir packen in Windeseile. Die kurzen Tage machen sich langsam unangenehm bemerkbar, es dämmert schon. Um die nächste Felsnase liegt der Hafen in der Rouse Bay.
Etwas spektakulär komme ich auf einem winzigen Sandhaufen neben der spärlich beleuchteten Slippanlage aus dem Boot und bevor die nächste Welle das Boot erfassen kann, liegt es sicher auf dem Slipp. Andreas hat es auf dem steilen Kiesstrand geschafft, an Land zu kommen. Er erhält den heißen Tip, wo wir für die Nacht unser Zelt aufstellen können.
Die paar hundert m bis zu einigen Fischteichen an der Zufahrtsstraße zum Hafen sind mit unseren Bootswagen schnell überwunden und Andreas bringt das Kunststück fertig, unser neues Tonnenzelt im stockdunklen einigermaßen bewohnbar aufzubauen. Das Resultat fotografiere ich am nächsten Morgen: kein Reklamefoto für die weltbekannte Tatze, die riesengroß auf dem Zelt plaziert ist.
Mich treibt es morgens schon früh mit der Kamera zum Hafen. Es hat die ganze Nacht wieder geblasen mit 6-7 B. Heute müßte sich der höchste Wasserstand einstellen, nach dem Mondstand, aber auch durch den Wind aus Nordwest in den letzten Tagen. Ich kann mich nützlich machen und helfe ein Motorboot mit einem Allrad auf die Hafenstraße ziehen. Es war mittlerweile vom Trailer gespült und drohte an der Kaimauer zu zerbersten. Nicht ohne Stolz befestigte ich mit zwei gekonnten Schlägen das Zugseil an der Kupplung.
Alles nicht besonders motivierend für unsere Rückfahrt nach Frankreich. Wir wollen auf jeden Fall unseren Urlaub abbrechen und zurück. Es ist keine Wetterbesserung in Sicht, bei der man es wagen könnte, die Fahrt nach Guernsey, Sark und Alderney fortzusetzen. Als letzte Möglichkeit gibt es die Fähre vom Osten der Insel, ab Gorey. Zunächst stärken wir uns erst einmal im Imbiß mit einem Original Englisch Breakfast. Es schmeckt uns vorzüglich nach dem abgebrochenen, verkorksten Abendessen.
Beim Packen spricht uns ein Biker an und stellt sich als Paddler vor. Wir erfahren wieder einiges über den Kanusport auf der Insel. Er begreift schnell, wo uns der Schuh drückt und beschafft uns per Telefon den allerneuesten Wetterbericht, der immer sehr verläßlich sein soll: 4-5 B. aus Südwest, gegen Abend wieder 6-7 Nordwest (dann müssen wir in Frankreichsein). also fast Schiebewind. Allerdings hohe Wellen und hohe Dünung. Worauf warten wir noch! Wir haben keine Zeit zu verlieren! Unser Kurs geht wieder über Ecrehou, dem großen Archipel ca. 10 km östlich von Jersey. Bei Hochwasser gucken nur einige Felsen mit weniger Häusern aus dem Wasser doch nun wieder bei Ebbe ist es ein riesiges Inselgewirr mit wunderschönen Sandbuchten.
In einer Stunde haben wir die Inselwelt bei tiefstem Wasserstand erreicht und mogeln uns um die schaumüberspülten Riffe durch einem Sund ins Innere der Insel und machen kurz Pause. Der Sand, auf dem wir landen, zeigt die Spuren der enormen Strömung, die bei Hochwasser über ihn hinwegfegt. Von hier aus können wir das Festland gut sehen und auch schon markante Einzelheiten erkennen. Ca. 15 km müssen wir überwinden. Wir haben uns für den direkten Kurs nach Osten über eine Reihe von Riffs und Untiefen entschieden. Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist nun mal die Direkte.
Beim Weiterfahren müssen wir zwischen den östlichen Riffs wie auf einem Fluß in den Kehrwässern gegen eine heftige Strömung paddeln. Wenn die Strömung bis zum Festland so bleibt, landen wir in der Sandbucht von St. Germain-sur-Ay ca. 30 km weiter südlich.
Unsere Rechnung geht aber auf. Volle Strömung erfaßt uns nur im Hauptfahrwasser und die ist auch hier kurz nach tiefstem Wasserstand noch nicht so kräftig. Für den Rest der Fahrt bremsen die Untiefen, über die wir paddeln, die Strömung auf ein beherrschbares Maß ab. Unsere Abdrift können wir sehr gut beobachten und einschätzen.
Das Wetter hat sich weiter verschlechtert, es bläst jetzt stetig mit mindestens 5 aus Westsüdwest. Die Dünung erreicht auf den Untiefen mal wieder gigantische Höhen und setzt Schaumkronen auf. Es herrscht ein einziger Wellenchaos: Dünung aus Nordwest, Wind und Wellen aus Westsüdwest und die Strömung aus Nord, teilweise von den Sandbänken abgelenkt und verwirbelt. Die Boot brechen dabei ständig bis zu 45 ° aus und werden überspült. Meist korrigiert aber der nächste Hopser den kleinen Fehler. Einige besonders ausgeprägte Biester reißen die Boote ein Stück mit, bevor sie sich in östlicher Richtung davon machen. Wir müssen uns oft stützen und abfangen um nicht zu kentern. Ich sehe Andreas einigemal grinsend aus der Gischt wieder auftauchen. Oder bilde ich es mir nur ein, bei der Entfernung und meiner beschmierten Brille, da ich genau weiß, daß er jetzt in seinem Element ist. Allerdings darf jetzt nur keinen Defekt auftreten!
An Hand der Wellenhöhe kann ich sehr genau unsere Standorte bestimmen und feststellen, daß unsere Abdrift sich immer noch in Maßen hält. Wir werden also entweder an unseren Strand mit dem schönen Slipway landen, oder wenn uns die Klippen vor dem Strand zu große Schwierigkeiten bereiten sollten, in den Hafen von .Portbail fahren. Der müßte 4 Stunden vor Hochwasser für Kajaks erreichbar sein, wenn große Schiffe 2 Stunden vor Hochwasser einlaufen können.
Der Wind hat jetzt die Marke 6 überschritten, es ist saukalt geworden, eigentlich das erste Mal in den letzten 14 Tagen und es regnet im Strömen. Die Böen versuchen uns die Paddel aus den Händen zu reißen. Hinter uns ist es schon längst pechschwarz geworden, aber da fahren wir ja nicht hin. Die Schaukelei und Anspannung macht sich langsam bemerkbar, für ein Hungergefühl haben wir keine Zeit.
Ca. 2 km vom Festland entfernt, erreichen wir das Hafenfahrwasser, es ist sparsam ausgetonnt. Die Hafeneinfahrt ist wie im Seehandbuch beschrieben, auf beiden Seiten weiß von der Brandung umsäumt. Ortsunkundige Schiffe sollten sich bei den vorherrschenden Bedingungen hiervon fern halten. Wir sitzen aber gottseidank in keinen Schiffen und haben die Hafeneinfahrt schon vor unserer Abfahrt sorgfältig besichtigt und sie uns gut eingeprägt.
Wir müssen unser Letztes geben, gut, daß wir unsere Trockenanzüge nicht anhaben, die wären jetzt viel zu warm, trotz des kalten Sturmes und des kalten Regens. Wir müssen unsere Abdrift jetzt mit Kurs Nordost etwas aufholen, und können nach einer knappen Stunde im Schutz der vorgelagerten Riffe, die wir hinterpaddeln können, ohne besonders große Probleme am Strand landen.
Schnell sind die Boote auf dem Bootswagen verzurrt und über den langen Strand zur Slippanlage gezogen. Der Regen ist noch heftiger geworden und der Wind hat volle 7 B Windstärken erreicht, mit Böen darüber. Der Zeltplatz liegt nur 500 m entfernt. Eine halbe Stunde später stehe ich unter der warmen Brause, während Andreas es sich nicht nehmen läßt, sich noch schnell mit seinem Pinnball in die nun immer höher werdende Brandung zu stürzen. Erst als die Brandung bis zur Uferbefestigung reicht, kommt er wieder vom Wasser.
Morgen geht’s nach Hause. Da haben wir 12 Stunden Zeit über das Erlebte noch einmal zu diskutieren, neue Pläne und vor allem neue Ausrüstungen zu "schmieden". Dabei werden insbesondere all jene Seekajaker nicht zu kurz gekommen, die steuerlos oder immer noch mit starrem Skeg fahren. Im nächsten Jahr kommen wir wieder, nach Möglichkeit einige Wochen früher. Das ist zwar keine Garantie für besseres Wetter, aber die Chancen für eine ruhige Wetterlage sind dann höher.
Die Boote:
Ich im ehemaligen Yukon E, 5,5 m lang mit Zölzer - Einziehsteuer und Carbon - Rennpaddel.
Andreas mit einem ehemaligen Nordkap mit Zölzer - Einziehsteuer und Carbon Wringpaddel.
beide Boote ohne Deckslast, aber mit kompletter Reiseausrüstung für 4 Wochen, allerdings wenig Nahrung und kein Wasser!
(Das ist auf Ecrehou geblieben, da es da so wenig Süßwasser gibt)