Wir sind gestern zu zweit sehr spät von Neuharlingersiel nach Spiekeroog gepaddelt und wollten heute eigentlich weiter nach Helgoland, doch der schon seit Tagen anhaltende Nordostwind mit 5 Windstärken läßt das nicht zu.
Also lassen wir uns nach Westen vorbei an Langeoog blasen. Obwohl heute Sonntag und Saison ist, ist die Ostinsel nahezu menschenleer. Nur hin und wieder ist ein einsamer Wanderer zu sehen. Der große Badebetrieb findet im Westen statt.
Ich fahre zwischen den vorgelagerten Sandbänken und dem Strand, während mein Spezi draußen vor den Sandbänken seinen Weg sucht. Hier im Schutz der Sandbänke ist das Wasser in der Regel ruhig, nur hin und wieder überwindet einmal eine Welle die Sandbänke mit einem Rest ihrer Höhe und rutscht unter dem Boot durch.
Vom weiten sehe ich eine einzelne Person bis zu den Hüften nackend im Wasser stehen. Bei genauerem Hinsehen stelle ich fest, daß es sich um eine weibliche Person handelt. Die zwei gutentwickelten "Spoiler" sind unverkennbar. Beim Näherkommen begibt sie sich bedächtig zum Ufer und legt nun auch den Rest ihres nackten, braungebrannten Körpers frei. Kein heller Zivilisationsstreifen stört die Schönheit, weder über den wunderschönen Brüsten noch da weiter unten. In den langen blonden Haaren spielt der Wind und die Sonne läßt es im Gegenlicht aufleuchten. Auf der nackten Haut glitzern die Wassertropfen. Obwohl sie im Gegenlicht steht, sorgt doch der helle Sandstrand dafür, daß jede aber auch jede Einzelheit im Schatten zu erkennen ist. Booo-ej! Es ist heuer mein erster Sommertag an der See und ich habe mich noch nicht an derartige Touristenattraktionen gewöhnt. Mir stockt der Atem, der Blutdruck steigt, meine Hormone kommen durcheinander und die ohnehin schon enge Luke des Nordkap wird noch enger.
Da plötzlich ein Rauschen neben mir. Eine Brandungswelle steht direkt neben mir und grinst mich mit der Gischt in Augenhöhe an. Schon hat sie mich gepackt und reißt mich mit zum Strand. Instinktiv will ich auf der Strandseite stützen, da ist das Paddel auch schon unter dem Boot und ich knall mit meinem Kopf etwas unsanft in den Sand. Es wird dunkel, naß und kalt, der Blutdruck und alles andere normalisiert sich wieder und ich rutsche aus der engen Luke. Kaum bin ich auf den Beinen, da kommt das Boot mit dem Rest der zweiten Welle auf mich zugesaust. Ich kann nur noch hochspringen und versuchen, über das Boot zu kommen, doch bin ich Sekundenbruchteile zu langsam: Die Kante des Bootes erwischt noch mein Schienbein und reißt mir die Beine unter dem Körper weg, so daß ich auf der anderen Seite des Bootes noch einmal der Länge nach in der sandgeschwängerten Salzbrühe lande. Das kalte Wasser lindert etwas den Schmerz
Ich komme mir vor wie in einem Alptraum, der immer dann endet, wenn es am schönsten wird. Etwas zerknirscht sammle ich meinen Hut und meine Sonnenbrille ein, die normale Brille hängt mir um den Hals, und leere mein Boot unter den interessierten Blicken der Lady. Sie spendet mir nur ein wohlwollendes, wissendes Lächeln. Das Biest weiß natürlich genau, was sie angerichtet hat. Wie sich die blöde Welle über oder durch die Sandbänke gemogelt hat, ist mir unerklärlich, auch wie sie entstanden ist.
Beim Spritzdeckezumachen kommt mir der Gedanke, daß ich mich einfach hätte ohnmächtig stellen sollen, vielleicht hätte ich dann noch eine Mund zu Mund Behandlung aus der Sache rausgeschlagen. Doch dann wäre mein Spezi der Lady wohl zuvorgekommen und auf dessen Behandlung kann ich gut verzichten. Der kam in der Zwischenzeit grinsend, gemütlich näher und überhäufte mich mit besorgten Fragen: "Hast Du dir weh getan?"," Hast Du dir dein Köpfchen gestoßen", "Soll ich dir beim Einsteigen helfen?"; na ja Ihr wißt ja, wie so etwas abläuft.
In Zukunft fahre ich auf jeden Fall auch nur noch in sicherer Entfernung vom Strand und riskiere höchstens `mal einen vorsichtigen Blick durchs Glas.
Beim Weiterfahren stelle ich mir dann vor wie das "blonde Gift" am Montag im Büro oder in der Uni ihre Kolleginnen zusammentrommelt und ihr Abenteuer erzählt: Stellt euch vor, ich war am Wochenende auf Langeoog und hab so`n alten Knacker aus seinem Paddelboot geholt und in der Brandung versenkt. Als der mich nackend am Strand sah, ist der fast erblindet. Den hat`s vielleicht in den Sand gehauen, wie Vogel Strauß mit dem Kopf voraus. Als er kaum auf den Beinen war, schoß das Boot quer mit der nächsten Welle auf ihm zu und knallte ihn in die Schienbeine, weil der Fettwams seinen Arsch nicht schnell genug übers Boot gekriegt hat.
Wenn der Chef nicht bald auftaucht oder eine wichtige Vorlesung ansteht, reicht der Gesprächsstoff für den ganzen Morgen.