Kunststoffe im Kanusport

Kunststoffe (Plastic, auch Plastik) im Kanusport. 
Mit diesen Zeilen will ich versuchen, etwas Licht ins heillose Durcheinander der Kunststoffbezeichnungen in unserem Sport zu bringen. Die Ausführung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und etwaige Fehler seien mir als Laie verziehen. Herr Chem. Ing. Hans Frohning hat die schlimmsten Fehler korrigiert.

Kunststoffe teilt man ein in Thermoplaste, Duroplaste, Elastomere. Da die Übergänge oft fließend sind, ist es nicht immer einfach Kunststoffe in diese drei Hauptgruppen einzuteilen.
Der Hersteller kann jeden Kunststoff manipulieren, die Grundeigenschaften bleiben aber in der Regel erhalten. Mit billigen Beimengungen kann man teure Kunststoffe strecken. So wie Mutter den kostbaren Braten mit schnell geschälten Kartoffeln und die Suppe mit einer Kelle Wasser verlängerte, wenn sich plötzlich Besuch einstellte. Bei den, hinter den technischen Bezeichnungen, angegebenen Namen handelt es sich um eingetragene Firmennamen, die oft bekannter sind als die technische Bezeichnung.


Thermoplaste 
lassen sich thermisch verformen, das heißt unter Einwirkung von Hitze werden sie weich und lassen sich dann in andere Gestalten umformen. Viele dieser Kunststoffe lassen sich schweißen. Aber immer nur mit Hitze und mit Druck. Das ineinander laufen lassen, wie beim Metallschweißen, funktioniert nicht einwandfrei. Wir begegnen den Materialien in fester Form, als Gewebe, als Folien und als Schaumstoff.


Polyethylen, (PE), Hostalen
Wir unterscheiden Hochdruck -, Niederdruck- und vernetztes Polyethylen. 
Nur Niederdruckpolyethylen lässt sich schweißen. PE lässt sich fast nicht kleben. Es ist leichter als Wasser und verbrennt nahezu rückstandslos mit einem Geruch nach Paraffin-Kerzen, mit denen es chemisch sehr nahe verwandt ist. Es ist sehr unbeständig gegen Verwitterung, dadurch hängen die Folienfetzen nicht so lange am Ufer in den Büschen.
Wir begegnen dem Material bei Bootsrümpfen, Einkaufstüten, Bauplanen, als billige Tarps, Zeltböden bei Billigzelten, Zeltheringen und vorgereckt als Kern der superleichten Dyneema- Leinen, Plastiktonnen -und Behälter, Isomatten (Evazote, Plastazote) Abschottungen, Stützschäumen in Booten und Schäumen in billigen Schwimmwesten (härter als PVC-Schaum).


Polypropylen, (PP)
Ist mit dem Polyethylen verwandt, ist auch leichter als Wasser und verbrennt ebenfalls fast rückstandslos. Allerdings ist der Geruch gegenüber dem PE kräftiger und stechend.
Die wichtigsten Anwendungen: Wurfleinen, da leicht und schwimmbar, Gurte an Taschen und Rucksäcken, da billig und leicht, leider aber auch bei billigen Verzurrgurten für den Bootstransport, die aus Polyester sein sollten.


Polyamid, (PA) Nylon, Perlon
Ist ein hochwertiger, schlagzäher Kunststoff. Das Material nimmt Wasser auf. Vorteilhaft bei Gleitlagern, diese können mit Wasser geschmiert werden. Nachteilig bei Seilen und Zelten. Zelte aus Nylon hängen morgens, wenn sie nass sind, wie Säcke. Gurte und Seile können sich bei Feuchtigkeit lockern.
Wir begegnen dem Material bei Maschinengehäusen, Bilgepumpen, Decksbeschlägen, Bootswagenfelgen und Lagern. Seilen, Angelleinen (Silk) Bergseilen und in allen möglichen Variationen in Gewebeform für Bekleidung, Spritzdecken, Säcken, Trekking-Zelten, Schwimmwesten, usw.


Polyester, (PET), Diolen, Trevira, Terrylen
Steht in dauerndem Konkurrenzkampf mit Polyamidfäden. Es nimmt kein Wasser auf und ist somit formstabil. Die UV-Beständigkeit ist besser als bei Polyamid. Allerdings ist die Reißfestigkeit im Neuzustand schlechter als bei Polyamid. Bergseile werden nur einige Jahre verwendet und Fallschirme immer nur für kurze Zeit, da ist immer noch Nylon angesagt.
Die wichtigsten Anwendungen: Hochwertige Gurte, Zölzer- Verzurrgurte, Schotleinen, Fallleinen, Dyneema- Außenmantel, Thermounterwäsche, Fleece, Trekking-Zelte, Tarps, Gewebe für Faltboot- und Schlauchboothäute, Gewebe für Planen, Rucksäcke, als Mischfaden für Trekkingbekleidung, aber auch: Getränkeflaschen, transparente Behälter.


Polyvinylchlorid, (PVC)
Ist ein hartes Material und verirrt sich nur selten in unserem Sport.
Am Bau hat es vor allem Einzug gehalten als Fenster und Türenmaterial.
Was wir in unserem Sport so schlechthin als PVC kennen, ist weichgemachtes PVC. Die Industrie verwendet dafür sogenannte Weichmacher. Wenn PVC verbrannt wird, stinkt es erbärmlich und es werden Chlorverbindungen wie Salzsäure, Phosgen (hochgiftiges Kampfgas) und in geringen Maße auch höchstgiftige Dioxine freigesetzt. Aus diesem Grund ist PVC in den letzten Jahren in Verruf gekommen. In großen Mengen kann aber PVC vernünftig entsorgt und wiederverwendet werden. Da das Material nur zu einem kleinen Teil aus Erdölprodukten besteht, ist die Umweltbelastung vielleicht besser als beim gelobten PE, wenn man die Herstellung global betrachtet. Für PVC fallen nicht so viele Ölplattformen um und es gibt nicht so viele Tankerhavarien (In 20 Jahren ca. 150 schwere Unfälle weltweit, fast immer mit Toten und Ölverschmutzung). Weiches PVC läst sich mit allen heute bekannten Verfahren schweißen: Hochfrequenz, Heizkeil, Heißluft, Spiegel, Ultraschall. Diese Möglichkeiten haben eindeutig zum Siegeszug von PVC beigetragen. 

PVC-Beschichtungen 
PVC kann nicht einfach auf das Trägergewebe geschmiert werden, sondern dieses muss erst, wie beim Lackieren, mit Haftvermittlern ausgerüstet werden. Je sorgfältiger die Vorbereitung zum Beschichten, um so weniger Ärger gibt es beim Gebrauch mit dem Ablösen der Beschichtung. Der Weichmacher im PVC hat die unangenehme Eigenschaft, sich langsam aus dem Material zu entfernen. Das Material wird im Laufe der Zeit hart. Beim Flicken mit Selbstklebebändern werden die Klebebänder weich und das geflickte Material hart. Die aufgehängte Spritzdecke über dem PVC-Rohr bewirkt, dass die Decke hart wird und das PVC-Rohr weich und dann durchhängt. 
Wir begegnen dem Material als Beschichtung auf Trägergeweben aus Polyamid und Polyester für Spritzdecken, Packsäcken, Planen, Trekkingartikeln und bei Spitzenbeuteln, Süllrandringen, Süllränder an Kanadiern, Endstopfen für Profile, usw.

Polyurethan (PUR, PU) Baydur
Ein Universal-Kunststoff, der richtig mit "PUR" abgekürzt wird und nicht mit "PU" wie es oft schlampigerweise geschieht.
Polyurethan gibt es nicht nur als Thermoplast sondern auch als Duroplast und als Elastomer (weiter unten).

Polyurethan hat eine hervorragende Klebkraft. Das nutzt die Industrie für Beschichtungen aus. Das Resultat sind hochfeste Verbundwerkstoffe mit hoher UV-Beständigkeit, die sich allerdings nur Hochfrequenz Schweißen oder mit Schmelzklebebänder tapen lassen. Die Beschichtungen lassen sich mikroporös einstellen. So erhält man atmungsaktive Materialien für Bekleidung. (Jeantex T3000 und weitere) wir begegnen dem Material weiter bei Leichtzelten, Tarps, Luft -und Wasserbehältern, Faltboothäuten und Dynat- Reißverschlüssen. 

Polycarbonat (PC) Makrolon
Hierbei handelt es sich um einen sehr hochwertigen schlagzähen und transparenten Kunststoff, der nur für spezielle Anwendungen zum Einsatz kommt wie z.B. Helmschalen, Zölzer- Skegsteuer, Wohnwagenscheiben bei Edelkarossen.

Polyacryl
Man unterscheidet:
Acrylglas chemisch: Polymetyhlmethacrylat (PMMA), Plexiglas 
Transparent, hoch witterungsbeständig, z. T. UV- durchlässig, leichter und bruchfester als Mineralglas, aber empfindlich gegen Lösungsmittel, Waschmittel und Chemikalien.
Wenn Du auf dem Campingplatz im Wohnwagen sitzt und Dich über den verregneten Tag ärgerst, dann sitzt Du in der Regel hinter Acrylscheiben und wenn Deine Frau für die schöne bunte Decke in die Du Dich eingewickelt hast nicht viel Geld ausgegeben hat, dann ist sie aus Acrylfasern.

Acrylfasern, chemisch: Polyacrylnitril, (PAN) Dralon. 
Aus diesem Material werden preiswerte Fasern gemacht.

Polystyrol (PS), als Schaumstoff: (EPS) Styropor, Poresta
Polystyrol ist ein relativ billiger, spröder Kunststoff. Geschäumt wird PS heute in großem Stil für Verpackungsmaterialien und zur Wärmedämmung, der insbesondere am Bau, eingesetzt wird. Wir ärgern uns über die Abfälle in Rückläufen an Wehren. Dort bleibt es aufgrund der Leichtigkeit oft tagelang hängen. Wenn Du auf Großveranstaltungen Dein Bier in einem glasklaren Plastikglas bekommst, welches sich nach dem Leeren krachend zerdrücken läst, den "Schrott" dann ins Lagerfeuer schmeißt, die rundumsitzenden Dich dann versuchen umzubringen, dann war`s meistens Polystyrol. PS: rußt und stinkt fürchterlich.

Styrol in flüssiger Form dient als Vernetzer für ungesättigte Polyestern bei der Herstellung von Polyesterbooten. 

ABS, hier ist die Abkürzung viel bekannter als die chemische Bezeichnung Acrylnitril-Butadien-Styrol 
Bei diesem Material handelt es sich um ein Copolymerisat aus allen drei Grundmaterialien. Beim Copolymerisat handelt es sich nicht einfach um eine Mischung dieser 3 Materialien, sondern sie werden über einen neuen Molekülaufbau zu einem vollkommen neuen schlagzähen Material zusammen gefügt. Wir begegnen dem Material bei Maschinengehäusen und bei den neuen Sandwichbooten aus Royalex und anderen Marken. Es ist sehr schlagzäh, glänzend und gut witterungsbeständig.

Duroplaste 
Diese lassen sich nicht durch Hitze in eine neue Form bringen. Die einmal gewählte Form ist entgültig, oder das Material wird mechanisch bearbeitet. Als Vorstufe werden die meisten Kunststoffe flüssig geliefert und werden erst fest und hart durch chemische Reaktion.

Polyester 
Hier stoßen wir auf ein anderes, spröderes Material als unter den Thermoplasten beschrieben wurde. Man sollte sich durch die Namensgleichheit nicht verwirren lassen. Thermoplastische Polyester bestehen aus linearem Polyethylenterephthalat (PET)
Da man in einer Patentschrift keine Firmenproduktnamen verwenden darf, müsste es heißen Polyesterboot, polyesterverstärkt und nicht Polyesterboot diolenverstärkt. 
Polyesterboote sind aus ungesättigten Polyestern (UP), die mit Styrol (+Katalysatoren) zu einem duroplastischen Polyester vernetzt werden, hergestellt.
Die geläufigste Verarbeitung ist in Verbindung mit Glasmatten oder Glasgeweben (GfK= glasfaserverstärkter Kunststoff). Glasmatten bestehen aus einige Zentimeter langen Glasfäden, die mit styrollöslichen Bindemitteln zusammenpappen. Der Papp löst sich bei der Verarbeitung mit Hilfe des Styrol`s auf, so dass die steife Matte weich wird und sich den Formen anpassen kann. Für hochwertige Produkte finden aber auch Diolen, Kevlar und Carbonfasern, Verwendung. 
Trotz PE-Booten ist es heute immer noch das bevorzugte Material für leichte Wanderboote. Weitere Produkte sind Fiberglasschäfte bei Paddeln und Gestänge bei Billigzelten.

Epoxydharz
Gegenüber dem Polyesterharz hat es eine hohe Klebkraft, höhere Festigkeit und beim Aushärten keinen Schrumpf. Es wird für hochwertige Produkte aus Verbundwerkstoffen verwendet und für Zweikomponentenkleber (Voss Epoxydkleber, UHU-Plus) zum Kleben von Metallen, Holz, Steinen, Glas, GfK, aber keine Thermoplaste. 
Ich empfehle das Laminierharz zum Einbauen des Skegsteuers, da wird Aluminium mit GfK verbunden und für kleine Bootsreparaturen. Da macht sich der höhere Preis kaum bemerkbar, aber die Reparaturstelle hält. Epoxydharz läst sich nicht mit Glasmatten verarbeiten, sondern nur mit Gewebe, da es kein Lösungsmittel besitzt zum Auflösen des Fadenverbundes.

Polyurethan (PUR, PU)
Aufgrund seiner hervorragenden Klebkraft, finden wir PUR in Klebern (unserem PVC-Kleber), Beschichtungen und Lacken (G4, G8, LT-Lacken, DD-Lacken) und in der Industrie für Bodenbeschichtungen. (Voss-Kunststoffe) viele dieser Flüssigprodukte härten mit der Luftfeuchtigkeit aus. Weitere Anwendungen sind Schäume für Hohlräume bei Booten, Sandwichkonstruktionen bei Paddeln und Booten in Verbindung mit Polyester und Epoxydharzen.

Elastomere
Sind elastische, gummiartige Kunststoffe.

Gummi
Ist ein vernetzter Naturkautschuk. Wie alle Naturprodukte ist Gummi nicht besonders UV- beständig. Bei Autoreifen fällt das aufgrund der Dicke des Gummis wenig auf. Bei Latexmanschetten und Faltboothäuten schon eher. Auch Fahrradbereifungen sollte man sich jedes Frühjahr zu Beginn der Radsaison genauer ansehen. 

Neopren
Beim Neopren handelt es sich um einen Synthese-Kautschuk mit hervorragenden Eigenschaften: hohe Abriebfestigkeit, beständig gegen viele Laugen und Lösungsmittel und UV-Licht. Da liegt es nahe, dass heute gute Schlauchboote, Faltboote, Rettungsinseln, Zeppeline, Trockentauchanzüge u.s.w. aus neoprenbeschichteten Materialien hergestellt werden. Bei dem Material für Nasstauchanzüge handelt es sich um geschäumtes Neopren, auch Nassbiber genannt.

Hypalon
Ein noch mal besseres Synthesegummi als Neopren, aber auch noch teurer. Oft wird Hypalon nur als letzter Überzug (finish) auf der Neoprenbeschichtung aufgebracht.

Polyurethan (PUR, PU)
Nun taucht dieser Kunststoff zum dritten mal auf, da er auch gummielastisch gefertigt werden kann. Wir finden das Material bei den "Gummipaddeln" bei denen die Blätter leicht geschäumt sind. Bei Rammkappen, bei den schwarzen Sitzen und Rückenpolstern wird PUR ebenfalls verwendet. Und bei unserm nicht mehr wegzudenkenden Sikaflex in Tuben, Kartuschen und Schläuchen, findet PUR ebenfalls Verwendung.

Silikone
Sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen die sich vor allem durch gute Hitzefestigkeit, Witterungsbeständigkeit und wasserabweisende Eigenschaften auszeichnen. Auch die chemische Beständigkeit ist hervorragend. Wir begegnen dem Material vor allem als wasserabweisende Imprägnierungen und Beschichtungen auf Geweben und als hochelastische Dichtungsmasse, auf denen allerdings nichts mehr haftet, aufgrund ihrer sehr guten chemischen Beständigkeit. Die Klebkraft ist bei PUR bedeutend besser.